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Semiotik Nach Opera aperta hat Eco die in seiner frühen Ästhetik bereits latent vorhandenen semiotischen Theoriegrundlagen immer weiter ausgebaut und sich insbesondere mit der Semiotik von Charles Sanders Peirce intensiv auseinandergesetzt. In seinen Studien Einführung in die Semiotik (1968), Zeichen (1973), Semiotik (1975), Semiotik und Philosophie der Sprache (1984) sowie in Kant und das Schnabeltier (1997) konturiert Eco eine semiotische Kulturtheorie. Im Anschluss an Peirce, aber auch an Morris, Hjelmslev, Jakobson und Mukarovski sowie viele andere gilt sein Interesse einem Theoriegebäude, das alle psychischen und sozialen Aktivitäten des Menschen als Signifikations- und Kommunikationsprozesse im Sinne eine universalen Kulturtheorie durch Zeichenprozesse und -systeme beschreiben kann. Ähnlich wie Peirce und später Cassirer begründet Eco die kulturwissenschaftliche Forschung also zeichentheoretisch: "Der Mensch, so hat man gesagt, ist ein symbolisches Wesen, und in diesem Sinne sind nicht nur die Wortsprache, sondern die Kultur insgesamt, die Riten, die Institutionen, die sozialen Beziehungen, die Bräuche usw. nichts anderes als symbolische Formen." Cassirers "Kritik der Kultur" wird bei Eco zur "Logik der Kultur". Cassirers Versuch, in Anlehnung an Leibniz’ "characteristica unversalis" eine umfassende "Grammatik der symbolischen Formen" aufzuweisen, wird bei Eco zum Versuch, ein universales Zeichenmodell zu skizzieren. Darauf aufbauend müsse es dann spezielle angewandte Semiotiken geben, die die Zeichenprozesse und Codes bestimmter kultureller Felder genau analysieren. Grundlage der Semiotik ist die unbegrenzte Semiose, mithin ein kultureller Zeichenprozess, der mit Peirce als dreiwertiges Relationsgeflecht von Zeichen und Interpretationen verstanden wird und der teleologisch auf die Ausprägung von "habits" gerichtet ist, in denen sich kulturelles Wissen manifestiert. In seinem semiotischen Hauptwerk von 1975 teilt Eco die Semiotik in zwei Großbereiche ein, eine "Theorie der Codes" und eine "Theorie der Zeichenerzeugung", die er wiederum einander dialektisch korreliert wissen will. Die Aufgabe der Semiotik bestimmt Eco als eine doppelte: Zum einen müssen die kulturellen Codes analysiert werden, auf deren Basis erst Zeichenaustausch möglich ist, zum anderen muss auch die Art und Weise beschrieben werden, wie Menschen Zeichen verwenden. So ergeben sich die beiden genannten Großbereiche. Diese Differenzierung entspricht der Unterscheidung zwischen Signifikation und Kommunikation. Codes sind für Eco Signifikationssysteme, die eine notwendige Voraussetzung für Kommunikationsprozesse darstellen. Eine Semiotik der Signifikation untersucht die Codes, die als gesellschaftlich oder kulturell konventionalisierte Systeme die Entropie von Informationen reduzieren und dadurch Zeichenprozesse erst ermöglichen: "Codes are the abstract patterns of cultural knowledge." Für die Bewertung der Eco’schen Theoriekonzeption ist entscheidend, dass diese beiden systematischen Großbereiche der allgemeinen Semiotik nur in methodologischer Hinsicht getrennte Untersuchungsgebiete markieren. In real ablaufenden Semioseprozessen sind Signifikation und Kommunikation, immer miteinander verschränkt und werden "in der Instanz der Zeichenfunktion zusammengeführt". Daher auch wird die traditionelle, von Morris eingeführte Differenzierung der Semiotik in die Disziplinen Semantik, Syntaktik und Pragmatik neu überdacht. Der Prozeß der Interpretation und die Genese bedeutungskonstituierender, kulturelle Einheiten ausprägender Signifikationssysteme sind nur zirkulär, im wechselseitigen Rekurs aufeinander zu erklären, und Ecos skizziert damit ein dynamisches Kulturmodell von sich verändernden Codes und stets neuen Regeln. Semiose ist ein Prozess, der nur vorläufig endgültig zum Stillstand kommt, Zeichen werden beständig neu und anders interpretiert. In diesem Zusammenhang weist Eco auch die Peirce’sche Zeichentrias von "icon", "index" und "symbol" zurück, denn alle Zeichen seien durchweg symbolischer Natur, da sie nur qua konventioneller Übereinkunft als Zeichen gelten. In Kant und das Schnabeltier untersucht Eco erneut die Reichweite der semiotischen Theorie und bedenkt einen Bereich des Präsemiotischen, der eine Untersuchungsgrenze markiert. Gleichwohl akzeptiert er wie Peirce keine strikte Trennung von Sinnlichkeit und Intelligibilität, sondern geht von einer "Wahrnehmungssemiose" aus, die er durch Rückgriff auf Peirces Begriff des "dynamischen Objekts" begründet. |