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Ästhetik

Mit Opera aperta (Das offene Kunstwerk) veröffentlichte Eco 1962 eine der wohl einflussreichsten Arbeiten zur modernen Ästhetik.  Sein Konzept von "Offenheit" als Chiffre für die Beteiligung des Rezipienten an der Generierung des Kunstwerks nimmt bereits Einsichten der später durch Jauss und Iser in den Rang einer eigenständigen Literatur- und Kunsttheorie erhobenen Rezeptionsästhetik vorweg. "Offenheit" wird als zentrale ästhetische Kategorie der modernen Kunst ausgewiesen. Moderne Kunstwerke transportieren keinen eindeutigen "Sinn", der vom Rezipienten lediglich passiv aufgenommen wird, sondern gewinnen in jeder Interpretation eine je eigene "Bedeutung". In der Kunst verwirklicht sich, was Valéry für die Literatur konstatiert: "il n'y a pas de vrai sens d'un texte". Dies freilich ist auch für eine postmoderne Ästhetik entscheidend, da die Kunst ihre Rezeption in unterschiedlichen Rezeptionssituationen nicht nur strukturell internalisiert, sondern dessen bewusste Reflexion sogar zum eigenen Gestaltungsprinzip erhebt. Grundlegend für alle weiteren theoretischen Arbeiten arbeitet Eco in Opera aperta auch einen erkenntniskritischen Grundgedanken aus, den er gelegentlich als "Dialektik" bezeichnet.  So gebe es zwei Arten von Offenheit, Offenheit ersten und zweiten Grades.  Offenheit ersten Grades bezeichnet grundsätzlich die Tatsache, dass jedes Kunstwerk stets unterschiedlichen Interpretationen offensteht. Mit Offenheit zweiten Grades will Eco jene modernen Kunstwerke bezeichnet wissen, die derart gestaltet sind, dass sie sich bewusst unterschiedlichen, auch divergierenden Interpretationen aussetzen. Dialektisch nun soll genannt werden, dass Eco den Sinn der Kunst weder ausschließlich in der struktureller Anlage von Kunstwerken noch ausschließlich im performativen Umgang mit Kunst sehen möchte. Sowohl Struktur als auch Performanz sind für Eco sinnstiftende Faktoren.

Die frühe Arbeit zu Thomas von Aquin, seine Dissertationsschrift, arbeitet Eco 1987 zu der ästhetischen bzw. kunsthistorischen Studie Kunst und Schönheit im Mittelalter aus, die "zu einem Nachdenken auch über unsere Zeit" führen soll.  Dass unsere in obigen Sinne postmodern zu nennende Zeit in gewisser Weise ein neues Mittelalter darstellt, macht Eco verschiedentlich deutlich, und diese Analogie motiviert wohl auch das nachhaltige Interesse für dieses historische Thema. Eine motivgeschichtlich und durchaus für ein breites Publikum bestimmte illustrierte Geschichte der Schönheit, die ästhetische Verbindungslinien bis in die Gegenwart aufzeigt, legt Eco 2004 vor.  2007 folgt das Pendant, Die Geschichte der Häßlichkeit.